Virtual Empathy

Die Pandemie brachte große soziale und wirtschaftliche Veränderungen mit sich. Ein regelrechter Digitalisierungs-Boom hat unseren Arbeitsalltag auf den Kopf gestellt. Digitale Tools zur Zusammenarbeit, virtuelle Zusammenkünfte und das Arbeiten in den eigenen vier Wänden. Die meisten beschreiben ihre Arbeitssituation als überraschend gut, jedoch wird sich hier auf die sachliche Ebene bezogen. Auf der emotionalen Ebene gibt es allerdings Schwierigkeiten.

„Routinen und Netzwerke brechen weg, Arbeitsstrukturen verschwimmen, der Kontrollverlust nimmt zu, Zukunftssorgen wachsen“, so Hannes Zacher, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Leipzig. Menschen in allen Bereichen leiden in Pandemie-Zeiten unter steigender psychischer Belastung und Problemen mit der Work-Life-Balance. Je länger die Zusammenarbeit über den virtuellen Raum stattfindet, desto deutlicher werden die Folgen des Mangels an persönlicher Interaktion und informellen Gesprächen. Durch die Isolation des Home-Office geht uns die Basis der Zusammenarbeit verloren. Also was tun?

Führungskräfte weltweit entdecken eine Antwort: Empathie. Durch die Isolation geht der Kontakt zu und zwischen den Mitarbeitenden zurück. Und eben jenen Kontakt gilt es wieder aufzunehmen und zu intensivieren. Empathie ist hierbei die wichtige Fähigkeit des Einfühlens in das Gegenüber, sowie das Verstehen eben jener Perspektive. „Empathie korreliert mit einem wertschätzenden Führungsstil, der wiederrum zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit führt“, so Myriam Bechtoldt, Professorin für Leadership an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht.
Waldemar Pelz, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Management an der Business School der Technischen Hochschule Mittelhessen, erforscht Empathie schon seit langem. Er hat inzwischen über 17.000 Führungskräfte befragt und kam zum Ergebnis: wer Empathie mitbringt ist wesentlich erfolgreicher als der Durchschnitt. Sie hilft zu entschlüsseln, was Kunden, Geschäftspartner, Teams und Mitarbeiter wirklich wollen und brauchen.

Kann Empathie gelernt werden? Ja, sagen Achtsamkeits-Forscher*innen weltweit. Mittels diverser Übungen, die zwischen 10 Sekunden und 15 Minuten dauern können, haben wir die Möglichkeit, unsere Empathie zu trainieren – und glücklich machen sie uns auch. Hier möchte ich Ihnen einige dieser Übungen vorstellen:

  • 3 Atemzüge Mitgefühl: Während des 1. Atemzuges richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Atmung. Während des 2. Atemzuges lassen Sie ein Lächeln auf Ihren Lippen entstehen. Es erinnert Sie an eine freundliche, warmherzige innere Haltung. Mit dem 3. Atemzug senden Sie gute Wünsche an einen Menschen oder sich selbst. Zum Beispiel: „Ich wünsche dir, dass du glücklich bist.“ Oder „Mögest du glücklich sein.“, „Mögest du gesund und frei von Leiden sein.“
  • Auch das Steigern der eigenen Körperwahrnehmung wirkt sich positiv auf die Empathiefähigkeit aus. Die aus dem MBSR bekannte Übung der Körperreise (Bodyscan) eignet sich hierfür perfekt. Zum Beispiel hier: https://www.youtube.com/watch?v=tK8FA2NMv3U&t=9s
  • Wenn Sie mit einem Menschen sprechen, konzentrieren Sie sich auf die Stimme und was sie sagt. Wenn die Gedanken weg wandern, holen Sie sie zurück zu der Stimme die spricht. So trainiert das Gehirn die Konzentration und Sie lernen präsenter im Gespräch zu sein.
  • Denken Sie an irgendeinen Menschen und versuchen Sie, sich sein oder ihr Leben und seine/ihre Aufgaben vorzustellen. Gleiten Sie gedanklich vollkommen in diese Person und nehmen Sie wahr, wie die Gefühle folgen. Z.B.: Wie fühlt es sich an, eine Straßenbahn zu lenken? Welche inneren Bilder tauchen da auf? Welche Körperempfindungen? Welche Gefühle? Es ist völlig egal, ob diese Gedanken oder Gefühle dieser Person entsprechen. Es geht nur darum, sich in jemand anderen einzufühlen. Versuchen Sie es nächstes mal mit Ihrem Kollegen oder Ihrer Mitarbeiterin. Üben Sie diese mentale Praxis immer wieder, so trainieren Sie Ihr Gehirn zu mehr Empathie.

(Quelle: Anja Dilk. Ausgabe: managerSeminare 270 vom 21.08.2020 – managerSeminare. managerSeminare Verlags GmbH, Bonn, Germany, 270, 28–36)